1 ago 2013

Der sterbende Löwe, oder: Welche Faktoren trugen zum Untergang von Neuassyrien bei?

Eine idealisierte Darstellung des neuassyrischen Herrschers Assurbanipal aus dem Spiel Civilization 5 (im Hintergrund sieht man das babylonische Ischtar Tor)

(1) Einleitung

Heute werde ich den Untergang des Neuassyrischen Reiches untersuchen. Dabei beachte ich nicht nur das letzte Jahr Assyriens, sondern muss bis zu den Anfängen zurückgehen, wenn nicht sogar bis zum Mittelassyrischen Reich, um die Faktoren, welche Neuassyrien nicht nur aufbauten sondern auch zerstörten, zu erkennen und zu verstehen.
Es ist nicht mein Ziel, eine Geschichte Neuassyriens zu schreiben, sondern eine kurze Analyse, so dass ich die Grundkenntnisse (Neu-) Assyrischer Geschichte voraussetze.
2012 gibt es keine spezialisierte, moderne Literatur zum konkreten Thema des Neuassyrischen Untergangs. Maximilian Streck war der Meinung das es genügend Literatur über das Ende Assyriens (Streck, CDXV) gäbe, dies war aber 1916 der Fall. Seitdem wurde der Untergang stets am Rande bzw. in den letzten Sätzen oder Kapiteln erwähnt und als Hauptfaktoren die Expansionslust und die Deportationen genannt ohne näher darauf einzugehen.
Ich werde das Problem von drei verschiedenen Seiten angehen: von der sozial – kulturellen, der wirtschaftlich – strukturierten und der rein geopolitischen Seite.
Von den Zahlreichen Werken welche ich heranziehe sind drei Wichtig: Eva Cancik Kirschbaums kleines Handbüchlein Die Assyrer – Geschichte, Gesellschaft, Kultur, Walter Mayers Artikel Armee und Macht in Assyrien und, insbesondere aufgrund der strukturellen Analyse, Roland Lamprichs Werk Die Westexpansion des neuassyrischen Reiches. Insbesondere beim Letzteren drängte sich die Idee auf, dass ein wichtiger Faktor fehlte.
Dieser Faktor für den Aufstieg und Fall Neuassyriens war, meiner Meinung nach, deren (Reichs- ) Ideologie; eine Ideologie, welche das assyrische Volk glorifizierte und moralisierte, gleichzeitig die unterworfenen Völker ausschloss und keine Möglichkeit des Verständnisses oder Integrationsmöglichkeiten bot. Bär hatte das Thema erstmals studiert, dabei allerdings nur die für die Assyrer vorteilhaften Aspekte (Bär).
Die Bestandteile der Ideologie wurden bei zahlreichen Autoren genannt, aber die Ideologie an sich fand selten eine Erwähnung als eigenständiger Faktor. Ich möchte gern auf diese (kleine) Lücke hinweisen.
Sämtliche Herrschernamen basieren auf der Zeittafel von Eva Cancik-Kirschbaum (Cancik, 124, Zeittafel 2). 

(2) Soziale Faktoren

Neuassyrien hatte eine Art von Ideologie, welche überaus stark ausgeprägt war und stets alltäglich durch Bauten, in der Sprache und ritualisierten Aktionen in der Gesellschaft zum Ausdruck kam. Besagte Ideologie hatte, vereinfacht gesagt, eine Hauptaussage: die Assyrer waren das vom Reichsgott Assur auserwählte Volk (Lamprichs, 227) und ihr König was the vice – regent of the state god Assur (Garyson, 962).
Diese Ideologie war sehr exklusiv: nur wer Assyrer war, konnte sich mit ihr identifizieren. Auch wurde das Verständnis der anderen Völker für besagte Ideologie dadurch erschwert, als dass es nur einen Haupttempel gab, und zwar in der (religiösen Haupt-) Stadt Assur (Cancik, 113).

Zwei wichtige Merkmale der Ideologie, welche ihre Grundpfeiler bildeten, waren zugleich ihre Achillesfersen: der Zentralismus (des einzigen personifizierten Stellvertreters Assurs) und die Machtdemonstration (der Auserwählten). Um die Schwächen zu kennen, werde ich zunächst die Stärken besagter Merkmale aufzeigen und anschließend deren negativen Folgen.

(2.1) Zentralismus – das Problem der Herrscherpersönlichkeiten

Die gesamte politische, religiöse, militärische und zum Teil wirtschaftliche Macht konzentrierte sich auf den neuassyrischen König, dem „Pontifex Maximus“ von Assur, Mitglied einer auserwählten Dynastie und Herrscher Über das ebenfalls auserwählte Volk der Assyrer. Diese starke Zentralisierung hatte zahlreiche Vorteile: effiziente und konzentrierte Verwaltungsorganisation in einer Hauptstadt, klare Hierarchien im Heer (Mayer, 17), schnelle politische Entscheidungen in Notfällen (Lamprichs, 227) und in diesem Fall sogar ein (relativ) konfliktfreies Verhältnis zur Priesterschaft. Aber sie hatte natürlich die selben Nachteile, welche stets in einem zentralistischen Königtum der unbürokratischen Vormoderne anzutreffen sind: Abhängigkeit vom Charakter des Königs und das Vorhandensein der machtpolitischen Intrigen.


Karte des Neuassyrischen Reiches, mit den 3 Hauptstädten: von 934 bis 706 v.Chr. war Assur die namensgebende Hauptstadt, anschliessend die neugebaute und geographisch Nahe Stadt Niniveh. Interessant ist die letzte Hauptstadt, von 612 bis 609 v.Chr., welche, bezeichnend für die Krise Neuassyriens, fern vom kulturellen und religiösen Zentrum Assyriens liegt, nämlich Harran.
Am Hofe gab es neben dem König eine kleine Reihe von Mächtigen, welche ebenfalls über einen großen Einfluss verfügten und so dem Herrschaftsanspruch oft gefährden konnten. Diese waren der Oberbefehlshaber (auch Gouverneur) der wichtigen Provinz Harran, der Oberste der Eunuchen (Pecirkova, 221, who command the kings army, too), der Herold (Pecrikova, 221, who was a military officer associated with home defense), der Schatzmeister (ebenfalls Gouverneur einer Provinz) und zuletzt der Kronprinz. So war es in Thronkämpfen nicht unüblich, wenn sogar der Oberste der Eunuchen versuchte die Königskrone zu erlangen, wie es nach dem Tod Assurbanipals der Fall war.

Denn die Thronkämpfe waren ein riskantes Feld: obwohl der König der oberste Priester von Assur war und obwohl alles handeln des Königs – auch die Kriegszüge [….] auf Befehl Assurs und der großen Götter (Cancik, 212) erfolgte, bedeutete dies nicht, dass er gottgleich wie ein Pharao war. Der König war das Abbild der Götter, aber selbst kein Gott. Daraus folgte die Möglichkeit der Rebellion: der Gott Assur konnte seine Gunst dem aktuellen Stellvertreter entziehen und sie einem anderem Familienmitglied übertragen. Und da im Laufe der Zeit [….] die königliche Sippe selbst einen größeren Teil der zentralen Positionen monopolisiert (Cancik, 102) hatte, konnten sogar der Oberste der Eunuchen Teil besagter auserwählter Dynastie sein und die Söhne (wie der von Sanherib) ihre Väter stürzen.

Ein Lamassu, eine Schutzgottheit der assyrischen Könige, 
ursprünglich von den baylonischen Stadtgottheiten
abstammend. Hierbei handelt es sich um 
ein Exemplar aus der Neuassyrischen Zeit.
Nicht nur, dass der König nicht vollkommen der Legitimation durch Assur trauen konnte – denn als Oberbefehlshaber war er auch persönlich für die militärischen Niederlagen verantwortlich und dies konnte als Gunstentzug Assurs gedeutet werden – die Loyalität war aufgrund der Zuweisung von Ländereien durch den König käuflich, und so manche Palastrevolution dürfte aus Neid und Unzufriedenheit entstanden sein (Cancik, 109). Garyson geht sogar so weit, dass er davon ausgeht, dass there were not rebellions against the religious and political structures, they were revolutions against individual kings (Garyson, 966).
Denn Neuassyrien war noch kein unpersönlicher Staat, es war ein personelles Königtum in welchem die Mächtigen (Beamten, Gouverneure, Vasallen) durch persönliche Bande an den jeweiligen Herrscher verknüpft waren.
So konnte TiglatpilesarIII an die Macht gelangen, auch wenn man nicht weiß, ob er Sohn, Bruder von Assur-nirari V oder einfach nur ein Usurpator war (Schmökel, 129), in jedem Fall wurde er als Mitglied der auserwählten Dynastie betrachtet. Aber er musste, wie Sargon II, seiner Anhängerschaft den schuldigen Tribut zahlen, indem er die abgeschafften Privilegien assyrischer und babylonischer Städte […] wieder einführte und die Wünsche der Priesterschaft befriedigte (Schmökel, 130).
Besagte Anhängerschaften waren nicht nur die alten assyrischen Familien, sondern auch neue Aufsteiger, also Familien welche sich im Verwaltungsapparat, in der Militärhierarchie und im Tempel dienst hochgearbeitet hatten. Dadurch, dass das Reich stetig expandierte und deren Administration anwuchs, war dies relativ oft der Fall (Cancik, 64).

Chronologisch betrachtet kann man eine (kurze und stark vereinfachte) chronologische Liste aufstellen (Schmökel) wie die Taten der Herrscher die Ideologie und so letztendlich ihre eigene Macht stärkten, oder, wie ich später aufzeigen werde, auf langer Sicht schwächten:
  • Salmanassar III, welcher eine Niederlage gegen Damaskus (Schmökel, 127) hinnehmen musste, hatte am Ende seiner Regierungszeit Probleme mit rebellischen Städten, und sein Sohn
  • Schamschi-Adad V musste vier Jahre gegen seinen Bruder und 27 rebellische Städte kämpfen. Beide eben genannten Tatsachen trugen nicht zur Stärkung des Königtums bei.
  • Adad-Nirari III war zu jung als er König wurde, so dass seine Mutter in einer patriarchalen Gesellschaft, wo jedes Relief einen male – oriented discourse (Marcus, 202) andeutete, als Regentin die Geschäfte führte. Adad-Nirari III machte des Weiteren den Fehler , dass er den Kult Nevos aus der babylonischen Schwesterstadt Borsippa angehörte. Er ging sogar so weit dass er gesagt haben soll: Nur Nebo vertraue, einen anderem Gott vertraue nicht (Schmökel, 128), also nicht mal dem Reichsgott Assur, dessen Stellvertreter er doch eigentlich sein sollte. Ihm folgte eine Serie von schwachen Herrschern, so dass die lokalen Gewalten und Heerführer immer mehr an Einfluss gewannen. Selbst militärisch und politisch Erfolgreiche Herrscher schwächten aufgrund bestimmter Regierungstaten ungewollt das Königtum. So starb
  • Sargon II auf einem Feldzug und konnte nicht würdig rituelle bestattet werden, so dass dies als ein schlechtes Omen betrachtet wurde.
  • Sowohl Tiglatpilesar III als auch Sargon II kamen, wie oben schon erwähnt, gewaltsam an die Macht und mussten sich die Loyalität erkaufen, und als
  • Sanherib mit seinem „hybriden Selbstbewusstsein […] und eine durch nichts gehemmte Maslossigkeit und einem schrankenlosen Despotismus (Schmökel, 131) des Vaters Anhängerschaft vernachlässigte, wurde er von seinen eigenen Söhnen ermordet, welche sich anschließend bekriegten. Man darf nicht vergessen, dass Sanherib mit der Zerstörung Babylons (was als ein Sakrileg, sogar von den Assyrien, empfunden wurde (Cancik, 79)) eine weitere Opposition geweckt hatte (Babylon und die assyrische Priesterschaft), welche sich nun einem König gegenübersahen, der die Städte anderer Götter vernichtete und sich vielleicht als gottgleich ansah.
  • Sowohl Sanherib als auch Assurbanipal versuchten, Ninive zur neuen (religiösen) Hauptstadt umzubauen, was erneut der Priesterschaft von Assur nicht genehm war, mussten sie um ihre Macht fürchten.
  • Nach dem Tode Assurbanipals, vielleicht schon in seinen letzten Regierungsjahren, brachen erneut Thronkämpfe aus.
Hatte Neuassyrien starke, dynamische Herrscherpersönlichkeiten wie Adad-Nirari II, Tukulti-Ninurta II, Assurnasirpal II oder Assurbanipal, war das Reich (politisch) stabil, die Militärstruktur blieb intakt und die Ideologie funktionsfähig. Kamen aber Könige mit Legitimationsschwierigkeiten (Putsch, militärische Niederlagen, Ermordung von Verwandten) oder Loyalitätsvergesslichkeit an die Macht, so gab es Krisen. Sanherib war in allen politischen und militärischen Belangen erfolgreich, außer in seiner Bescheidenheit und dies bracht die Opposition dazu, ihn zu stürzen.
So kam es, dass in den letzten 200 Jahren des 300jährigen Neuassyrischen Reichs zahlreiche Herrscher die Königsmacht schwächten, welche durch erfolgreiche, individuelle Könige wieder erneuert werden musste.

Deswegen war die Zentralisierung der Macht auf den König einer der Faktoren, welche zum Untergang Neuassyriens beitrugen, denn die internen Kämpfe und die Uneinigkeit zwischen den Nachfolgern […] führten schließlich zur Auflösung der Truppen, des Geräts und der zentralen Führung (Cordoba, 17).

(2.2) Machtdemonstration – ein teures Legitimationsinstrument

Das zweite Merkmal der Ideologie war die Demonstration der Macht, der kulturellen, militärischen und wirtschaftlichen Überlegenheit Neuassyriens, welche sowohl Freund als auch Feind stets daran erinnern sollte, wer der Auserwählte sei.

Dazu wurde eine Reihe von Instrumenten genutzt:
  • Die Propaganda der Reliefs. Denn diese betonten stets den militärischen, kriegerischen Charakter der städtezerstörenden Könige. Zum Zeitvertreib jagten sie persönlich Löwen. Die Übergabe von Tributen wurde in Palästen und Tempeln für alle sichtbar ebenfalls auf Reliefs festgehalten (Bär, 242). Marcus geht davon aus, dass sogar die Landschaften in den Reliefs seem to carry a manifest message about territorial control and imperial power, at the same time as they may articulate a latent message about royale (male) sexual power (Marcus, 202).
  • Eingang zum Palast Dur-Sharrukin, Skizze von 1911
    Die Prachtbauten. Je mächtiger der Herrscher, umso schöner sollten die Paläste sein. Ganze Städte wurden erbaut, wie die Residenz Kalhu von Assurnasirpal II und Salmanassar III, das Dur-Sharrukin von Sargon II und der Umbau Ninives durch Sanherib, ebenso der Neubau Babylons durch Asarhaddons. Diese Projekte stellten eine starke finanzielle Belastung dar.
  • Der Wohlfahrtsstaat. Lamprichs vertritt die These, dass die neuassyrischen Könige den Frieden im Kernland dadurch wahren konnten, dass sie große Teile der eroberten materiellen Güter (Lamprichs, 178) verschenkten und so den Wohlstand der einheimischen Bevölkerung steigerten. Auf diese Art konnte man die soziale Differenzierung zwischen den wenigen, reichen Handels- und adligen Landbesitzfamilien und den vielen besitzlosen Arbeitskräften (Cancik, 50-51) überbrücken.
  • Die Erniedrigung. Gefangene wurden oft öffentlich erniedrigt und zur Schau gestellt (Lamprichs, 181), besiegte Fürsten mit Hunden an Tore gebunden. Stets als Mahnung und auch mit der Überzeugung, dass den Assyrern nie dasselbe Schicksal widerfahren werde.
  • Die Tribute. Es gab zwei Arten von Tributen, einmal jährlich und auch zu bestimmten Feldzügen (Bär, 241). Diese aktiven Leistungen erinnerten den Vasallen daran, dass die Reliefs nicht nur leere Propaganda waren.
Die Eroberung Ninives durch Tiglatpilesar III mit gepfählten Feinden.






ese Propaganda diente in erster Linie zur Abschreckung von Revolten und Gegnern, aber es reichten keine reinen Demonstrationen, um sich der Loyalität der lokalen Eliten zu sichern.
Deswegen integrierte Neuassyrien parallel dazu die lokalen Eliten (wie z.B. in Nordsyrien (Lamprichs, 180) und die Phönizier (Gitin, 84)), indem es ihnen Ländereien übergab und sie auch an militärischen Erfolgen teilhaben ließ. So gelang es den Assyrien ein allgemeines Interesse am Erhalt des jeweils erreichtet Status Quo zu erzeugen (Lamprichs, 250), so dass es neben Nordsyrien auch in Nordbabylon […] wenigstens eine Reihe von Städten [….] bis zuletzt mit Assyrien (Streck, CDXI) hielten (Lamprichs, 130). Auf diese Art und Weise wurden mögliche lokale Oppositionen, welche organisierungsfähig gewesen wären, vermieden.

(2.3) Negative Folgen der sozialen Faktoren

Deportierung der Juden.
Diese Machtdemonstrationen hatten auch negative Folgen: die Herrscher waren im Zugzwang. Um im Kernland Frieden zu halten, mussten die teuren Wohlfahrtsaktivitäten gewährleistet sein, militärische Niederlagen und Prestigeverluste konnten katastrophale Folgen haben; gleichzeitig hatte man nur wenige Verbündete (meist die genannten lokalen Eliten), aber viele Gegner (ganze Völker welche durch Deportation ihre Heimat verloren) welche nicht in die Ideologie integriert, sondern stets an ihren Ausschluss vom assyrischen Wohlstand erinnert (Paläste, Reliefs) wurden. Die einzige Form um den Frieden zu wahren war das Militär; und es war in der Geschichte stets die oberflächlichste, unwirtschaftlichste und ineffizienteste Form der Territorialkontrolle. Hätte man die Machtdemonstrationspolitik und die Ideologie integrationsfähiger und weniger militaristisch ausgestaltet, hätte man vielleicht die Loyalität der eroberten Völker stärken können.

(3) Strukturelle Faktoren

Die sozialen Faktoren, welche sowohl zum Erhalt als auch zum Untergang Neuassyriens beitrugen, erzeugten weitere, zunächst positive, aber im Kern negative Folgen für das Reich. In diesem Teil werde ich unter anderem die wirtschaftlichen, demographischen und administrativen Folgen analysieren.

(3.1) Wirtschaftliche Faktoren – Tribut und Silberabhängigkeit

Die neuassyrische Wirtschaft charakterisierte sich in erster Linie durch das Fehlen eines regelmäßigen Wirtschaftszyklus. Das begann schon sichtbar in der Geographie: in Assyrien herrschte Ressourcenmangel; im Alt- und Mittelassyrischen Reich versuchte man dieses Ungleichgewicht durch den Handel auszugleichen, indem man Zinn und Textilwaren exportierte (Mayer, 21). Durch die Militarisierung Neuassyriens begann der Teufelskreis, denn das Reich [brauchte] eine schlagkräftige Armee zur Durchsetzung seiner politischen Ziele. Die Armee benötigte zur Erfüllung ihrer Aufgaben Metall für ihre Ausrüstung. Das Metall konnte aber wiederum nur mit Hilfe der Armee in hinreichendem Masse beschafft werden (Mayer, 21).
Eine Löwenfigur als Gewicht, aus der Stadt Nimrod: der Löwe wog 3 Minas, sprich: 1500 Gramm.




Man brachte also gewaltsam den Reichtum in das Land, um es mit vollen Händen wieder auszugeben: die Politik des oben genannten Wohlfahrtstaates, die Neubauten der Städte und Paläste, die Ressourcen verschlingende Finanzpolitik (Cancik, 62) brachten Assyrien in Zugzwang. Anders gesagt: der nicht produktive gesellschaftliche Überbau wuchs nun schneller als die entsprechenden Einnahmen (Lamprichs, 400). Neuassyrien musste expandieren um neue Gebiete ausbeuten zu können und Tribute zu erhalten.
Gleichzeitig begann das Silber die neue Währung Neuassyriens zu werden, während es vorher vornehmlich Kupfer und Zinn gewesen waren. Diese Mengen an Silber kamen entweder durch Kriegszüge oder durch Tributzahlungen nach Assyrien, so dass unter Sargon II 712 v.Chr. Der Silberpreis sogar auf das Niveau der Bronze und des Kupfers fiel.
Die negativen Folgen der Inflation des Silbers mussten durch den Wohlfahrtsstaat der Könige im Kernland verhindert werden (Lamprichs, 216 – 223).
Andere Formen der Reichtumsbeschaffung waren von geringer Wichtigkeit, es gab einen asymmetrischen, institutionalisierten Gütertausch und wenig Export der Güter in die Region, dagegen gab es eine hohe Nachfrage an importierten Luxusgütern.
Dieses riskante System funktionierte, solange es Gebiete gab, welche den Tribut zahlen konnten und solange es keine größeren militärischen Niederlagen gab und man Beute machen konnte. Allerdings änderte sich dies in den letzten Jahrzehnten vor dem Untergang: es tauchten die Skythen an den Grenzen auf, ebenso die Meder. Beide Völker waren Nomaden. Gleichzeitig war Assyrien demographisch überdehnt und somit im Heer personell schwach besetzt (dazu später mehr). Der Ausweg war die Bezahlung von Söldnern (speziell seit Salmanasser III) und geschenkhaltige Verträge mit den Nomadenvölkern schloss (Mayer, 23).
Das Silber floss ab, weder die kleinasiatischen Minen noch das spanische Silber der Phönizier konnten das Defizit ausgleichen. Gab es vorher einen Überfluss an Silber, war nun das Gegenteil der Fall. Weder Asarhaddon noch Assurbanipal erhielten größere Mengen an Silber-Tribut und die östlichen Silberminen waren in Gefahr (Edzard, 235). So müsste es zwischen 680 und 627 v.Chr. Zu einer Krise gekommen sein: statt der Inflation kam nun die Deflation; der Silberpreis stieg rasant an (Müller, 121). Zuletzt kam es wahrscheinlich zu einer Art Wirtschaftskrise (Schmökel, 134).

Insofern trug die Wirtschaft zum Untergang bei, als dass es, zusammen mit der Ideologie, die Neuassyrer geradezu zwang, ständig Kriege zu führen um die Kosten zu decken, bis die finanziellen Kosten schlicht viel zu hoch waren. Wann diese finanzielle Grenze zu finden wäre, untersuche ich im übernächsten Teil bei den administrativen Faktoren.

(3.2) Demographische Faktoren – Ausdünnung und Oppositionsbildung

In Assyrien wurden die Assyrer in erster Linie in die höheren Verwaltungspositionen und im Heer eingesetzt während die Mitglieder anderer Völker eher Menschen zweiter Klasse blieben. Normalerweise findet beim Sieg über eine andere Kultur oder ein anderes Volk ein Prozess des gegenseitigen Austausches und der Integration statt, so dass am Ende (wie z.B. in Rom) der einst Besiegte zusammen mit den Siegern herrscht.
Die andere Möglichkeit mit den besiegten Völkern umzugehen war die der Deportation. Statt das Volk zu integrieren versuchte man es auszulöschen, die Kultur und Erinnerung zu vernichten und so die Nachfolger der Vertriebenen ihrer Identität zu berauben.
Assyrien bediente sich beider Methoden: zum einen assyrifizierte es die lokalen Eliten, zum anderen deportierte es größere Bevölkerungsgruppen, um sie für Bauarbeiten einzusetzen, zur Grenzsicherung und zur Kolonisation anderer Gebiete. Zahlreiche Autoren betonen das Ausmaß der Deportationen, so dass ich dies hier nicht wiederholen werde (Cancik, Lamprecht, Gitin, Garyson).
Die Folgen der Deportation waren vielfältig und auf lange Sicht negativ für Neuassyrien: zum einen wurde die wirtschaftliche Rentabilität stark reduziert (unbekannte Geographie und Wetterverhältnisse und geringe Moral könnten die geringe Wirtschaftlichkeit der Deportierten erklären), zum anderen wurden viele Regionen nicht bevölkert (um künstliche Grenzen zu bilden oder weil es schlicht nicht genug Deportierte gab (Gitin, 83)).
Zum anderen fanden die Deportierten einen gemeinsamen Nenner: mit der Sprache Aramäisch (denn Aramäer waren die meisten der Deportierten) tauschten sie ihre (negativen) Ideen und Gedanken über Neuassyrien aus. Indem man die gewachsene Struktur der Bevölkerung im eigenen Lande […] und das ererbte Heimatgefühl (Schmökel, 116) vernichtete, schuf man schon in Mittelassyrien ein künftiges Problem. Trotz der Integration in die assyrischen Heere, fand keine Identifikation mit dem Oberherrn statt (Garyson, 960, Mayer, 11), obwohl andere Forscher anderer Meinung sind (Lamprichs, 255).
Während also der Feind Assyriens sich zu einem heterogenen Gemisch mit einer Gemeinsamkeit bildete, dünnte die loyale Gruppe der Assyrer aus. Dies war insofern negativ für Assyrien, als dass denn sowohl in der Armee als auch in der Administration die wichtigsten Posten, wie oben erwähnt, ausschließlich von Assyrern besetzt waren (Mayer, 10).
Sollte es also zu Erhebungen oder Revolten kommen, hatten es die Neuassyrer immer schwerer, diese zu unterdrücken. Zwar wäre dies verhältnismäßig einfach wenn die Assyrer Truppen eines Volks für die Unterdrückung des anderen einsetzten; aber da diese durch die Deportation beide ihre Heimat und Kultur verloren hatten, sahen sie in ihren jeweiligen Wiedersacher eher Freunde, welche das selbe Los zu tragen hatten wie sie selbst.
Eine gemeinsame Reichsideologie, man nehme das römische Kaiserreich als Beispiel, hätte statt eines gemeinsamen Feindbildes eher ein Gemeinschaftsgefühl mit den Assyrern entwickelt; vielleicht sogar den Wunsch geweckt, selber assyrisch zu werden.

Aus diesem Grund trug der demographische Aspekt interessanterweise ebenfalls zum Untergang bei. Solange es weder größere äußere Feinde gab noch interne Thronkämpfe stattfanden, waren die Assyrer in den Heeren immer noch zahlreich genug um die Revolten zu unterdrücken, auch weil die Rebellen im Gegensatz zu den Assyrern über kein Kommunikationsnetz verfügten, mit dem sie sich hätten organisieren können. Und etwaige Organisatoren, wie lokale Anführer, unterstützten lieber die Oberherren.
(3.3) Administrative Faktoren – das Gesetz Parkinsons

Die Administration Neuassyriens war überaus effizient und vorbildlich. Aber einerseits mussten die Einnahmen ausreichen, um den gesamten Apparat zu unterhalten, andererseits durfte der Erwerb von Waren und Menschen die Grundlagen der Peripherie nicht vollständig zerstören (Lamprichs, 396). Und letzteres war oft der Fall.
Dieses System funktionierte bis zur Herrschaft von Tiglatpilesar III. Unter ihm wurde das System der Verwaltung umgebaut um die Macht der Gouverneure und Vasallen einzuschränken und um die Regierungsgewalt stärker zu zentralisieren (Schmökel, 129). So wurden zahlreiche kleine Distrikte gebildet und viele Vasallen verloren ihre Autonomie. Es gab daher einen drastischen Rückgang der Tributzahlungen, da sie nun durch direkte Steuereinahnen ersetzt wurden (Bär, 230=. Auch das Kommunikationsnetz wurde durch zahlreiche Königsstraßen in the period between Shalamaneser III and Tiglathpileser III (Kessler, 130) erweitert.
Der nun ungebremste Ausbau der Administration (vorher brachten die Lokalherrn die Tribute, nun mussten die Assyrer sie selbst eintreiben) verwandelte die vorher effiziente Organisation in eine kostspielige, langsame Bürokratie, welche zum größten Teil immer noch mit Assyrern besetzt wurde, welche nun ein größeres Arbeitspensum hatten. Auf diese Weise wurde die oben genannte Grenze des Kostenaufwandes klar überschritten.

(4) Außenpolitische Faktoren

(4.1) Geopolitische Situation

Am Ende der Regierungszeit Assurbanipals war Neuassyrien in einer scheinbar außenpolitisch günstigen Situation: Ägypten und Babylon waren unter Kontrolle (bzw. Theben wurde während der ersten Jahre erobert); die westlichen Gebiete befriedet; die nördlichen Hethiter, das nordöstliche Urartu und das östliche Elam existierten nicht mehr.


Allerdings änderte sich diese Situation nach wenigen Jahren: die 26. Dynastie Ägyptens vertrieb die Assyrer schon 655 v.Chr., welche doch erst 663 Theben eingenommen hatten; Babylons assyrischer Gouverneur Samassumaukin, der Bruder Assurbanipals, rebellierte (652 – 650 v.Chr.), auch die alte 650 v.Chr. Unterworfene elamische Elite und Bevölkerung blieben rebellisch, zuletzt erschienen im Norden und Westen neue Feinde: die Skythen und die Meder.
Die geopolitische Situation hatte sich in wenigen Jahrzehnten stark verändert und insofern ungünstig, als dass nun Urartu und Elam als mögliche feste Schutzwehren [gegen] den Ansturm der indogermanischen Stämme (Streck, CDXLVII) fehlten, denn sowohl die Skythen als auch die Meder (letztere unter Kyaxares) griffen in unregelmäßigen Abständen Assyrien von zwei Seiten an (Schmökel).
Gleichzeitig war das assyrische Heer sehr heterogen geworden: die Assyrer stellten nun die Minderheit; die Mehrheit waren gepresste, in den Dienst gezwungene, Soldaten der deportierten Völker, Vasallen sowie bezahlte Söldner, so dass man nicht auf die Loyalität dieser Truppen zählen konnte.
Noch dazu rebellierte Babylon erneut und formierte sich (wieder einmal) zu einem unabhängigen Königreich. Normalerweise wäre dies kein Problem für Assyrien; auch nicht, wenn Neubabylon ein Bündnis mit Medien schloss, aber nun kam der negative Faktor der Zentralisierung voll zum Tragen: die Thronkämpfe nach Assurbanipal, der überraschende (?) Tod des ersten Sohn Assurbanipals, Assur-etel-ilani, und die Rebellionen, welche der zweite Sohn Assurbanipals, Sin-schar-ischkun, niederschlagen musste (erst die Rebellion von General Sinschumlisirin Babylon; danach die von einem Offizier in den Westgebieten), trugen 619 v.Chr. zum endgültigen Verlust Babylons bei (Lamprichs, 182),
Dies alles geschieht zwischen 631/27 und 619, in weniger als elf Jahren; es waren in erster Linie verlustreiche Bürgerkriege. Nicht nur die Legitimität der Figur des Königs, sondern auch die reine militärische Stärke war geschwächt; nicht zu vergessen die landwirtschaftlichen Verwüstungen und die stets negativen Folgen für den Handel.

Die Schatzkammern Babylon und Ägypten waren verloren, der Westen noch geschwächt (Streck, CDXV) und die Phönizier litten schon seit Jahrzehnten unter der griechischen Konkurrenz. In einer solchen Situation war es kein Wunder, dass ein geplanter Zweifrontenkrieg (Babylon und Medien) zur erfolgreichen Vernichtung Assyriens führen konnte. Das assyrische Heer, welches bis zum Ende seiner Tage nahezu unschlagbar blieb (Cordoba, 17), verlor zuerst seine (einzige) heilige Stadt Assur (ein weiterer Hinweis auf den Gnadenentzug Assurs); und danach Ninive 612 v.Chr., wo auch der Herrscher in den Flammen umkam.
Sein Nachfolger Assur-uballit II, benannt nach den Besieger von Mittani, schaffte es sogar 610 die Feinde zu schlagen, starb aber bei der Schlacht. Mit ihm starb auch die geheiligte Dynastie aus (Cancik).
Es war ein überraschender, dramatischer Untergang, allerdings war es nur die militärische Zerstörung eines ohnehin leer gewordenen Gebildes, eines ausgedünnten und ineffizient gewordenen Reichs, dessen Ideologie keine Vorbereitung auf den Notfall geplant hatte.

(4.2) Probleme: Babylon & Ägypten

Moderne Darstellung des Gottes Assur.
Assyrien war effizient, erfolgreich und stabil als es noch langsam expandierte; zuerst Mittani, danach die Gebiete bis zum Mittelmeer. Es fand eine Integration statt; zugleich blieb der Handel mit anderen Völkern offen u d möglich wie mit Babylon und Ägypten. Um an Beute zu kommen, konnten die Neuassyrer Kriegszüge gegen den Norden unternehmen oder ab und an Babylon überfallen und danach verlassen.
Die Probleme begannen als Assyrien versuchte, zwei alte Königreiche in sein Territorium einzugliedern; nicht nur zu überfallen, sondern auch zu halten. Genau dann wurde die Provinzreform Tiglatpilesers III stark überlastet und das Reich überdehnt.

Warum waren die beiden Regionen für Assyrien so wichtig, so dass man versuchte sie zu Bestandteilen des Reiches zu machen?
  • Babylon war wegen der wichtigen Handelsroute und als religiöses Zentrum ein begehrtes Ziel: zum einen bewies die Kontrolle der Stadt die Macht des Reichsgottes Assur, welcher den babylonischen Stadtgott Marduk besiegen konnte; zum anderen wären die Zoll- und Steuereinnahmen ebenfalls beträchtlich.
  • Ägypten war vor allem wegen gold, fine lines germents, minerals, papyrus (Elat, 34) and luxury items, imported for the benefit of the Empires ruling class (Elat, 25) interessant.
Allerdings konnte man zwei gut organisierte, staatliche Gebilde wohl rasch erobern, aber schwerlich befrieden. Die lokalen Eliten gewannen mehr, wenn sie die Unabhängigkeit gewannen, als dass sie dem Besatzer dienten; das Modell von Syrien (die Assirifizierung, die loyale Abhängigkeit der Elite, die Deportationen der Bevölkerung) benötigten zu viel Zeit und Aufwand und war deswegen nicht wirksam.
Babylon wurde erst 728 v.Chr. zum ersten Mal integriert, indem sich Tiglatpilesar III zum König Babylons krönte, und erst 671 v.Chr. wurde Memphis unter Asarhaddon erobert. Als Memphis zum ersten Mal von Assyrern besetzt wurde, hatte Babylon schon fünf rebellische nicht-assyrische Könige gehabt: Marduk-zakir-sumi II (703); Marduk-aplaiddina II (703; 721 – 710), Bel-ibni (700), Nergal-uscherib (693, von Elam eingesetzt), Musezib-Marduk (692 – 689, von Elam eingesetzt), fünfmal wurde es erfolgreich militärisch erobert, am Ende vernichtete Sanherib die Stadt vollkommen (Schmökel).
Babylon war also weder voll befriedet noch rentabel; noch dazu musste Elam erobert werden wenn man diese Region sichern wollte. Des Weiteren war es unmöglich, die Bevölkerung Babylons deportieren zu wollen, ohne eine große Rebellion zu provozieren.
Während also Babylon noch nicht die Loyalität der Westprovinzen hatte (welche übrigens trotz allem ebenfalls ab und an rebellierten), startete man den Versuch, Ägypten zu erobern, ein weiteres großes Gebiet. Noch dazu war es schwer zu erreichen: per Schiff (wobei man die Phönizier brauchte (Elat, 32)) oder per Land (mit Hilfe der arabischen Stämme, da es durch die Wüste ging (Elat, 34)). In Ägypten hatten die assyrischen Könige zunächst Erfolge: 671 v.Chr. fiel Memphis in assyrischer Hand und nach heftigen Kämpfen Theben. Aber keine 15 Jahre später wurde Assyrien von Psammetich I 655 v.Chr. vertrieben. Anstatt in beiden Gebieten die lokale Elite zu Vasallen zu machen, welche Tribute zu zahlen hätten, aber ansonsten recht autonom wären, versuchten die Könige die Provinzreform Tiglatpilesar III umzusetzen, sprich: direkte assyrische Verwaltung (welches zur administrativen und demographischen Überdehnung beitrug), und die Unterstützung lokaler Eliten. Nur dass zum einen die falschen Eliten unterstützt wurden und dass es zum anderen keine regional gewachsenen Verankerung (Lamprichs, 173) gab, so dass das System nicht funktionierte.
655 v.Chr. war Ägypten also wieder verloren: ein ressourcenreiches Abenteuer war beendet; dafür hatte man immer noch Probleme mit dem rebellischen Babylon, welches definitiv 619 v.Chr. verloren ging.

Diese zwei Regionen, stolz, groß, komplex und mit eigenen, integrationsfähigen Ideologien konnten nicht in weniger als 50 Jahren Bestandteile einer integrationsfeindlichen Ideologie werden, so dass Assyrien nur Ressourcen verlor.

(5) Schlusswort

Relief einer sterbenden Löwin, im Palast von Assur
Der enorme Kostenaufwand einer Integrationslosen Ideologie, eine administrative Überdehnung und ein beute- und tributabhängiges Wirtschaftssystem von einem ressourcenarmen Land waren, salopp gesagt, eigentlich lösbare Faktoren, welche es schafften, dass die „äusseren Feinde“ an einem für sie günstigen Zeitpunkt Neuassyrien besiegen konnten.
Real betrachtet war Assyrien ein schwaches Gebilde; ein Soldat ohne Geld und Freunde, welcher in einen Moment der Unachtsamkeit von anderen besiegt werden konnte. Jahrzehntelang betrachtete man von Assyrien nur das kraftvolle, militärische Bild, wohl vergessend, dass Muskeln nicht alles sind; dass hinter einer harten Schale ein weicher Kern stecken könnte.

Wenn man die Ausdünnung der assyrischen Bevölkerung und die Wirtschaft Abhängigkeit des Kernlandes betrachtet, war es wenig verwunderlich, dass es ein viertes Assyrien nicht so schnell geben könnte. Die neu babylonischen und medischen Reiche und die Skythen hätten das Machtvakuum rasch gefüllt, das assyrische Kernland hätte als Pufferstaat weiterexistieren können (wohl deshalb eilte Nacho II von Ägypten Assur-uballit II zu Hilfe), dennoch wollte speziell Babylon kein neues Assyrien zulassen.
Assyrisches Relief eines sterbenden Löwen.
Schon Alt- und Mittelassyrien hatten teils freundliche, teils feindliche Absichten mit Babylon verfolgt; Neuassyrien dagegen ging einen Schritt weiter und unterwarf Babylon, vernichtete es sogar. Die Rache der so lange Geknechteten war furchtbar. Keine Stadt Assyriens blieb unzerstört (Schmökel). Die assyrische Bevölkerung wurde vermutlich zum Teil deportiert (eine ironievolle Rache), zum Teil blieb sie in ihrer Heimat, aber man ließ keine neue Staatsbildung zu. Dies wäre aber wirtschaftlich ohnehin nur schwer möglich gewesen und auch demographisch hätte Assyrien sich wieder erholen müssen.

Und möge man dem risikoreichen Versuch widerstehen Assyriens Ideologie, Weltanschauung, Religion mit anderen, modernen Ideologien zu vergleichen, welche expansionistisch, elitär und zentralistisch waren, mit einem gottähnlichen absolutistischen (und sogenannten) Auserwählten an der Spitze.

So kam und verschwand Assyrien von der Weltbühne.

(6) Literaturverzeichnis
  • BÄR, Jürgen, Der assyrische Tribut und seine Darstellung – Eine Untersuchung zur imperialen Ideologie im neuassyrischen Reich, Neukirchen, Band 243, 1996.
  • CANCIK – KIRSCHBAUM, Eva, Die Assyrer – Geschichte, Gesellschaft, Kultur, München, 2003
  • CÓRDOBA, Joaqion Maria, "Die Schlacht am Ulaya Fluss – Ein Beispiel assyrischer Kriegsführung während der letzten Jahre des Reiches", in: Assyrien im Wandel der Zeit, Heidelberg, Band 6, 1997, Seiten 7 – 18.
  • EDZARD, Dietz Otto, Geschichte Mesopotamiens – von den Sumerern bis zu Alexander dem Grossen, München, 2004
  • ELAT, Moshe, "The economic relations of the Neo-Assyrian Empire with Egypt", in: Journal of the American Oriental Society, 98 (1), Jerusalem, 1978, Seiten 20 – 34.
  • GARYSON, A. Kirk, "Assyrian Rule of Conquered Territory in Ancient Western Asia", in: Civilizations of the Ancient East, Band 2, 1995, Seiten 959 – 968.
  • GITIN, Seymour, "The Neo-Assyrian Empire and its Western Periphery: The Levant, with a focus in Philistine Ekron", in: Assyria 1995 – Procedings of the 10th Anniversary Symosium of the Neo-Assyrian Text Corpus Project Helsinki, Helsinki, 1997, Seiten 77 – 103.
  • KESSLER, Karlheinz, "Royal Roads and other Questions of the Neo-Assyrian Communication System", in: Assyria 1995 – Procedings of the 10th Anniversary Symosium of the Neo-Assyrian Text Corpus Project Helsinki, Helsinki, 1997, Seiten 129 – 136.
  • LAMPRICHS, Roland, Die Westexpansion des neuassuroschen Reiches – eine Strukturanalyse, Neukirchen, Band 239, 1995.
  • MARCUS, Michelle, " Geography as Visual Ideology: landscape, Knowledge and Power in Neo-Assyrian Art", in: Neu-Assyrian Geography, Rom, 1995, Seiten 193 – 202.
  • MAYER, Walter, "Armee und Macht in Assyrien", in: Army and power in the ancient world, Stuttgart, 2002, Seiten 3 – 23
  • MÜLLER, Gerfried, Gedanken zur neuassyrischen „Geldwirtschaft“, Heidelberg, Band 6, 1997, Seiten 115 – 121.
  • PECIRKOVA, Jana, "The Administrative Organizationof the Neo-Assyrian Empire", in: Archival Oriental – Quarterly Journal of African, Asian and Latin American Studies, Praha, 3 (45), 1977, Seiten 211 – 228.
  • SCHMÖKEL, Hartmut, Ur, Assur und Babylon – Drei Jahrtausende im Zweistromland, Stuttgart, 1962
  • STRECK, Maximilian, Assurbanipal und die letzten assyrischen Könige bis zum Untergang Ninives, Leipzig, 1916.

Imprimir artículo

0 Kommentare:

Publicar un comentario