(1) Einleitung
Die Kolonialkriege
[waren] nur die verstreuten Spitzen eines Eismassivs permanent
prävalenter Gewaltausübung (Walter, 24). Diese und ähnliche
Sätze waren oft in den Büchern der Kolonialgeschichte zu finden;
aber nur selten wurde näher darauf eingegangen. Im Gegensatz zum
Thema Kolonialkriege gab es kaum wissenschaftliche Monographien über
die alltägliche koloniale Gewalt (wie, zum Beispiel, El
trauma de la violencia colonial en Africa, Eine Kopfjagt –
Deutsche in Ostafrika, Law Enforcement in British
Colonial Africa oder Erste Auswirkungen des kolonialen
Herrschaftssystems).
Dieser Artikel möchte auf
diese Lücke hinweisen und zugleich eine Unterscheidung
herausarbeiten: nämlich den Unterschied zwischen den deutschen
neuartigen und den britischen erfahrenen Kolonialsystem;
sowie den Unterschied zwischen Siedlungskolonien und eher weniger
besiedelten, sogenannten wilden Kolonien.
Hierzu wurden vier
Kolonien ausgewählt; jede einzelne von ihnen ist verschieden
klassifizierbar. Von diesen Kolonien (Deutsch Südwest Afrika,
Shouthern Rhodesia, Deutsch Ostafrika, British East Africa) sind jeweils zwei offizielle Siedlungskolonien
und jeweils zwei gehörten einer anderen Nation an.
Zunächst werden in der Arbeit die alltägliche Gewalt und die Strafexpeditionen definiert; anschließend erfolgt eine Untersuchung der möglichen Ursachen der vorhergegangenen Definitionen. Zuletzt erfolgt die Analyse der alltäglichen Gewalt anhand von historisch belegten Informationen, wo auch die Unterschiede der vier Kolonien zum Ausdruck gebracht wird. Der untersuchte Zeitrum ist klar begrenzt: von den 1895er, nach dem Abschluss der Eroberungsphase, bis zu den 1914er, im Vorfeld des großen Krieges, welche in den Kolonien einen Ausnahmezustand erzeugte.
Zunächst werden in der Arbeit die alltägliche Gewalt und die Strafexpeditionen definiert; anschließend erfolgt eine Untersuchung der möglichen Ursachen der vorhergegangenen Definitionen. Zuletzt erfolgt die Analyse der alltäglichen Gewalt anhand von historisch belegten Informationen, wo auch die Unterschiede der vier Kolonien zum Ausdruck gebracht wird. Der untersuchte Zeitrum ist klar begrenzt: von den 1895er, nach dem Abschluss der Eroberungsphase, bis zu den 1914er, im Vorfeld des großen Krieges, welche in den Kolonien einen Ausnahmezustand erzeugte.
(2) Definition von
alltäglicher Gewalt und Strafexpedition
Flagge von Southern Rhodesia (bzw. der British South Africa Company), 1890 - 1923. |
Flagge von Deutsch Südwestafrika (ein anderes Modell mit Wappen wurde nie genutzt), 1884 - 1915. |
Nun zur zweiten
Definition, die der Strafexpeditionen. Bis auf eine kurze
Beschreibung (Killingray, 434, The punitive
expedition consisted of a military or police force […] marching
through the troublesome country burning villages and corps, lifting
cattle and occasionally engaging in grief Rights with hostile. The
result was a swathe of destruction) fehlt eine klare und
abgegrenzte Definition. In keinem Lexikon und keiner Bibliographie
welche ich für diesen Artikel einsah habe ich es entdeckt. Dennoch
wurde der Begriff stets von sämtlichen Autoren genutzt und oftmals
im selben Satz mit Feldzügen, Vernichtungskriegen und
Racheexpeditionen genannt.
Flagge von East Africa (Protektorat), 1895 - 1920. |
Gouverneursflagge für Deutsch - Ostafrika, 1891 - 1918. |
Diese Definition der
alltäglichen Gewalt und der Strafexpedition spiegelten zwei
verschiedene alltägliche Situationen in den Kolonien wieder: je
stärker die administrative Vernetzung und je größer die
Kolonistenbevölkerung, umso regulierter war die alltägliche
Gewaltausübung in Form von Gesetzen und der (Zwangs-) Arbeit; die
geradezu abenteuerlich anmutenden Strafexpeditionen fanden hingegen
in den eher staatsschwachen Kolonialgebieten statt, wie ich in
den folgenden Sätzen beweisen werde.
(3) Erklärung der Ursachen
der Gewalt: vier Faktoren
Man kann von vier
gewaltverursachenden Faktoren, welche nicht als determinierte oder
klar von einander trennbare Phänomene verstanden werden sollten,
ausgehen. Diese waren die schwache Rolle des Staates, das kulturelle
Überlegenheitsgefühl der Kolonisten, das Interesse an
kostengünstigen Arbeitskräften und zuletzt die Angst.
Zunächst möchte ich die Rolle des Staates analysieren. Man darf sich nicht die Kolonie als Abbild der administrativen Strukturen der jeweiligen Metropole vorstellen, sondern vielmehr als ein autonomes, lose verbundenes System.
Zugleich waren die
Kolonisten stets eine Minderheit. Dies wirkte sich aus: Durch die
ganze Geschichte der europäischen Expansion hindurch wurde dem
kolonialen Administrator, egal welcher Ebene, keinen Tag erlaubt zu
vergessen, dass er sich in einem Lebensumfeld bewegte, in dem
Herrschaftsbeziehungen […] oft unter Rückgriff auf physische
Gewalt […] stabilisiert (Walter, 23) wurde, die Kolonisten waren
sich stets bewusst, dass sie in einer Beherrschungskolonie mit
einer permanenten Belagerungssituation (Mann, 116) lebten.
Die Kolonialherrschaft war
für die einheimische Bevölkerung, den Kolonisierten, in erster
Linie vor allem [eine] Schreckensherrschaft (Mann, 118), und
sie reagierte dementsprechend (Pesek, 203. In Deutsch Ostafrika gab
es bis 1903 […] kein einziges Jahr, in dem es nicht zu Unruhen
kam). Denn obwohl die einheimische Bevölkerung Afrikas schon
Jahrhunderte von Gewalt untereinander gewöhnt waren, so war
die koloniale Gewaltherrschaft noch systematischer, repressiver und
spürbarer als die, welche sie schon kannten. Ein solches feindliches
Klima vereinfachte den Kolonisten den Einsatz von Gewalt (Alonso
Rocafort, 130).
Noch dazu gab es keine
Gewaltentrennung, sondern es fand eine Konzentration der Macht in den
Händen weniger statt. Die deutschen Gouverneure, die englischen
Gouverneure British East Africas und die Administratoren Rhodesiens
hatten umfangreiche exekutive und legislative Kompetenzen und wurden
nur wenig kontrolliert (Conrad, 44). Dies hatte allerdings einen
unbeabsichtigten Effekt: Der jeweilige Gouverneur fühlte sich als
Stellvertreter des Kaisers der der englischen Krone, speziell in den
deutschen Kolonien kam dies stark zum Ausdruck. Die Gouverneure
verhielten sich wie in einer eher feudal geprägten Monarchie.
Des weiteren mussten sie
ihrerseits den regionalen Beamten (Bezirksamtsmänner in den
deutschen, District Commissioners in den
englischen Kolonien) zahlreiche Kompetenzen übertragen, um eine
halbwegs funktionierende territoriale Verwaltung sicherzustellen
(Kaulich, 102. Die Bezirkshauptleute (später Bezirksamtsmänner) von
Deutsch Südwestafrika hatten zum Beispiel das Recht Verordnungen
zu erlassen samt der Befugnis, bei deren Nichtbefolgung Geld- oder
Haftstrafen anzudrohen bzw. zu verhängen […] Außerdem wurde
[ihnen] schon 1896 die Ausübung der Strafgerichtsbarkeit gegenüber
der kolonisierten Bevölkerung übertragen).
Die meisten
Kolonialbeamten waren Militärs, mit einer starken Preussen- und
Junkertum Mentalität, welches diese geradezu mittelalterlich
anmutende Gedankenwelt mit der kolonialen administrativen Verwaltung
verwechselten (Pesek, 272, 273). Die Kolonialverwaltungen versuchten
des öfteren klar zu stellen, dass es sich um einen Beamtenstaat
handelte, wenn auch mit geringem Erfolg (Pesek, 282). Die unteren Kolonialbeamten gehorchten ihrerseits selten ihren Lehnsherren,
den Gouverneuren, so dass diese öfters Rundschreiben senden mussten,
um ihre Vasallen, daran zu erinnern, dass sie für bestimmte
Aktionen ihre Erlaubnis einholen müssten (Bernhard, 169. Nach den
Vorbereiten einer nicht genehmigten Strafexpedition schrieb der
Gouverneur Deutsch Ostafrikas am 16. März 1903 in einem Runderlass,
in dem er die „Herren Militärstation-Chefs […] nochmals
verpflichtete, die Genehmigung zu jeder Expedition im voraus
einzuholen.“)
Askarikompanie bereit zum Abmarsch (zwiscehn 1914 und 1918) |
Dieser koloniale Staat,
der nicht über den Entwicklungsstand des frühmodernen Staates (Walter, 21) hinauskam und sowohl administrativ als auch personal
bedingt war, war einer der Faktoren für die täglich angewandte
Gewaltausübung.
Die Bevölkerung der
westlichen Zivilisation verstand sich als fortschrittlicher,
vernünftiger als der Rest der Weltbevölkerung, und deswegen
müsse man ihnen dieses Wissen lehren.
Diese zunächst arrogant,
aber (von ihren Standpunkt aus) positiv erscheinende Mission wurde
jedoch auf eine paradoxe Weise umgesetzt. Um die Unzivilisierten zu
zivilisieren, müsse man notfalls unzivilisierte Mittel nutzen, da
diese nur besagte Mittel verstehen könnten. Diese Ideen wurden
dadurch gestützt, dass man die Kolonisierten viel mehr als Kinder
betrachtete, welche should be tarted as such (Anderson, 470.
Meinung vom Farmer Captain A. H. James aus British East Africa).
Disziplin und Gehorsam müssten sie lernen.
Diese Mentalität der
zivilisatorischen Überlegenheit (welche sich unter anderem in
der Form des Rassismus manifestierte) kam klar in der Art und Weise,
wie man einen kolonisierten Gegner besiegen konnte, zutage: Erst
[durch] die Rauchsäule, die aus der zerstörten Residenz des
afrikanischen Chiefs emporstiege […] werde dem Gegner seine
Niederlage klar, vermuteten die Offiziere (Pesek, 199). Mit der
Stärke wollte man, dass sich die lokale Bevölkerung stets daran
erinnern sollte, wer die (zivilisatorische) Überlegenheit habe.
Sollte die Zivilisierung nicht gelingen, so behandelte man die
Kolonisierten wie ungehorsame Tiere (Good, 11.
Ndbele Rebels of 1896 were monsters in human shape, that ought to
be shot down like wild dog or hyenas, until they are reduced to a
state of subject submission to the White mans rule.)
Aber nicht nur Gehorsam musste gelehrt werden, sondern auch die Disziplin der westlichen
Arbeit. Dass man dabei selber wirtschaftliche Vorteile ziehen
könnte und zugleich die Wirtschaft der Kolonisierten zerstörte, war
den meisten der Beteiligten bewusst. Denn dieses wirtschaftliche
Interesse der Kolonisten war der dritte Faktor, der zur Gewalt
animierte. Auf diesen Faktor werde ich weiter unten eingehen.
Die Kolonisten waren
gewaltsam in fremdes Gebiet eingedrungen und als solche lebten sie in
einem permanenten Verteidigungszustand (Mann, 120) . Zwar
konnten sie sich der militärischen Überlegenheit sicher sein, aber
größere Aufstände konnten überraschte Kolonisten überrennen und
töten. Spezielle davor fürchteten sich die Siedler: ihre ständige
Bewaffnung, gar das Tragen der Peitsche, kann man sowohl als Ausdruck
der stolzen Überlegenheit wie auch der Angst vor einem Angriff
interpretieren. Dementsprechend reagierten die Kolonisten auch
äußerst empfindlich auf jedes negative Anzeichen. Wenn (oft
falsche) Gerüchte über einen Aufstand die Runde machten, so nahmen
die Kolonisten solche Gerüchte durchaus ernst (Pesek, 206, und
Bernhard, 169. So gab es 1903 in Deutsch Ostafrika eine
Strafexpedition gegen die Massai, da sie laut unbestimmten
Gerüchten […] einige räuberische Einfälle in das Deutsche Gebiet
geplant haben sollen.) Denn je gespannter eine Gefahrensituation
für die Kolonisten wahrgenommen wurde, desto größer wurde die
Bereitschaft, Gewalt einzusetzen.
Die Angst war bei weitem
nicht ganz ungerechtfertigt: die Kolonisierten vergaßen die
Unterdrückungen und oftmals ungerechtfertigten Gewaltanmaßungen
nicht, so dass irgendwann ihre Wut, welche man als eine Menge an
angestauten Hass beschreiben könnte (Alsonso Rocafort, 136), sich
in physische Gewalt gegen die Kolonisten umwandeln könnte. Deswegen
war der Akt des Tötens […[ grausamer, wenn der Jäger sich
fürchtet (Alsonso Rocafort, 139, Zitat von Achille Mbembes).
Diese Angst erklärte
auch, weswegen man oft von Rachefeldzügen und Selbstjustiz sprach: Aufstände waren die reale Manifestation der Angst der
Kolonisten. Die folgende Gewalt (sogenannte Vernichtungskriege,
Verschärfung der Gesetze) waren oft nicht nur das Resultat der
Wiederherstellung der staatlichen Gewalt, sondern auch ein Versuch,
die Angst zu stillen, indem man diese zu vernichten suchte.
(4) Der reale Alltag in den
Kolonien
Ade Ajayi, J. F. , Karte
Nr. 64.
|
In zahlreichen
wissenschaftlichen Werken werden Demographische Fakten zu kurz
angesprochen, Quellen nur selten genannt. Dies soll in diesem Artikel
vermieden werden, auch weil man sich des demographischen Unterschieds
bewusst sein muss:
Kolonie
|
Bevölkerung (Kolonisierende)
|
Gesamte Bevölkerung (Kolonisierende und
Kolonisierte)
|
% der Kolonisierenden von der gesamten Bevölkerung
|
Southern Rhodesia | 16.500 in 1909 (1) 30.000 in 1920 (2) |
718.500 in 1909 (3) 780.000 in 1920 (2) |
1909: 2 % 1920: 4 % |
British East Africa | 600 in 1905 (4) 2.000 in 1907 (4) 3.000 in 1910 (5) 16.812 in 1931 (6) |
1.200.000 in 1905 (4) 1.200.000 in 1907 (4) 3.000.000 in 1910 (5) 2.966.994 in 1931 (6) |
1905: 0.05 % 1907: 0.16 % 1910: 0.1 % 1931: 0.6 % |
Deutsch Ostafrika | 3.000 in 1910 (7) 5.400 in 1913 (8) |
8.000.000 in 1910 (7) 7.700.000 in 1913 (8) |
1910: 0.0375 % 1913: 0.07 % |
Deutsch Südwestafrika | 7.110 in 1907 (9) | 200.000 in 1903 (9) | 1907/03: 4 % |
Wie man der obigen Tabelle
entnehmen kann, waren sowohl Deutsch Südwestafrika als auch
Shouthern Rhodesia richtige Bevölkerungskolonien, fast 5 % der
gesamten Bevölkerung stammte nicht von den Kolonisierten ab. Bei den
anderen, wilderen Kolonien sah die Situation wesentlich anders
aus: British East Africa und Deutsch Ostafrika erreichten nicht mal 1
%, und British East Africa begann sich erst in den 30er des 20.
Jahrhunderts zu verändern. Auch war die reale Bevölkerungszahl, mit
jeweils 3000 Kolonisten in beiden Kolonien, nicht hoch. Da waren die
7100 Kolonisten in Deutsch Südwestafrika und erst recht die 16500 in
Southern Rhodesia demographisch wesentlich ausschlaggebender. Ein
Merkmal, welches die Nicht – Siedlerkolonien begleitete, waren die
einheimischen Bevölkerungszahlen: wesentlich geringer als eine
Million bei den Siedlerkolonien, mehrere hingegen bei den Wilderen.
Insofern müsste auch die
alltägliche Gewalt verschieden ausgeprägt sein: der
Ausnahmezustand, der Gefühl der Verteidigung war in diesen
Kolonien dementsprechend stark ausgeprägt und die Strafexpeditionen
an der Tagesordnung.
1 The Encyclopaedia
Britannica, 11. Edition, 1910/1911, Vol. 23 – 24, S. 261.
2 Chambers Encyclopedia,
Vol 11, London, 1955, S. 676.
3 The Encyclopaedia
Britannica, 11. Edition, 1910/1911, Vol. 23 – 24, S. 262.
4
http://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_Kenias
5 The Encyclopaedia
Britannica, 11. Edition, 1910/1911, Vol. 23 – 24, S. 601.
6 Chambers Encyclopaedia,
Vol 11, London, 1955, S. 201.
7 The Encyclopaedia
Britannica, 11. Edition, 1910/1911, Vol. 23 – 24, S. 772.
8
http://de.wikipedia.org/wiki/Deutsch-Ostafrika
9 The Encyclopaedia
Britannica, 11. Edition, 1910/1911, Vol. 23 – 24, S. 800.
(4.1) Die
Strafexpeditionen
In allen vier Kolonien
gab es Strafexpeditionen, während aber die Siedlungskolonien schon
ab ca. 1900 rasch durch Siedlerfarmen weitflächig kontrolliert
werden konnten, war die Kontrolle über die beiden Ostafrikas nur an
der Küste wirksam und es gab nur selten längere offizielle
Friedensjahre, da die kolonisierten Völker wesentlich einfacher
den Widerstand organisieren konnten. Strenggenommen wurden diese
Kolonien nie komplett von der jeweiligen Kolonialmacht beherrscht.
So gab es zwischen 1890
und 1894 zahlreiche Überfälle durch die Hehe auf kleinere
Expeditionen und Karawanen. Der Leiter der Militärstation Mpapa
entsendete 1890 ohne Erlaubnis des Gouverneurs eine Strafexpedition
gegen die Hehe aus, zahlreiche Hüten wurden verbrannt.
Der deutsch-ostafrikanische Kommandeur der kaiserlichen Schutztruppe organisierte, da die Überfälle weiter anhielten, im Mai 1891 eine größere Strafexpedition, „um die räuberischen und unbotmäßigen Wahehe zu züchtigen (Morlang, 82). der Gouverneur Julius Freiherrvon Soden hielt dies für unnötig, aber er wollte auch die Söldertruppe nicht weiterhin gelangweilt, bezahlt und aufrührerisch in seiner Nähre
wissen. Wie auf jeder Strafexpedition wurde ohne
Ziel jedes Dorf verbrannt, bis die Expedition, und das war eher die
Ausnahme denn die Regel, durch einen massiven Überraschungsangriff
durch die Hehe vernichtet wurde. Im Juni 1892 rüstete Leutnant Tomvon Prince von der Militärstation Kisaki deswegen ohne Kenntnis des
Gouverneurs zu einer weiteren Strafexpedition, von ihm als
Rachefeldzug betrachtet. Seine Askari brannten zahlreiche
Dörfer nieder und erschossen jeden Hehe, auf den sie stießen.
Der deutsch-ostafrikanische Kommandeur der kaiserlichen Schutztruppe organisierte, da die Überfälle weiter anhielten, im Mai 1891 eine größere Strafexpedition, „um die räuberischen und unbotmäßigen Wahehe zu züchtigen (Morlang, 82). der Gouverneur Julius Freiherrvon Soden hielt dies für unnötig, aber er wollte auch die Söldertruppe nicht weiterhin gelangweilt, bezahlt und aufrührerisch in seiner Nähre
Julius Freiherr von Soden (Gouverneur 1891 - 1893) |
Es gab zwischen 1891 und
1897 bis zu 61 Strafexpeditionen, was vermutlich auch daran liegen
könnte dass alle Gouverneure des Jahre zwischen 1892 und 1906
Militärs waren (Baer, 80), vom einzigen Zivilisten von Soden
abgesehen.
Ganz ähnlich verhielt es
sich in British East Africa: die Ndebele starteten 1896 einen
Aufstand, und sie wurden in zahlreichen Feldzügen rasch
besiegt, allerdings wurde der Krieg seitens der Weißen als
Rachefeldzug geführt (Döpcke, 16). Die oben erwähnte Reaktion
durch die Angst kam hier besonders gut zum Ausdruck,
Auch nach 1906 gab es
kleinere Strafexpeditionen, sowohl im deutschen als auch im
englischen Ostafrika. So fanden 1904 und 1913 Punitive
Raids (Tignor, 274) in British East Africa statt.
Dies waren die
Strafexpeditionen in den eher wilden Gebieten, während man bei
den anderen Kolonien eher von tatsächlich organisierten Feldzügen sprechen könnte, wo die alltägliche Gewalt weniger durch
Truppen und brennende Häuser als vielmehr durch von Peitschenhieben
verursachte brennende Rücken zum Ausdruck kam.
(4.2) Die alltägliche Gewalt – Gesetze und Arbeit
(4.2) Die alltägliche Gewalt – Gesetze und Arbeit
In den beiden
Siedlungskolonien Southern Rhodesia und Deutsch Südwest Afrika
ging es scheinbar zivilisierter zu, so dass man in diesen
Fällen eher von einen Alltag, der welcher selten von einzelnen
kurzen Aufständen unterbrochen wurde, sprechen konnte.
Besonders interessant war
die gesetzliche Situation. Dabei konnte man von einen einfachen,
historischen Prinzip ausgehen: je mehr Gesetze es zu bestimmten
Fällen gab, umso wahrscheinlicher war es, dass in diesen Fällen die
ursprünglichen Gesetze umgangen worden waren. Das besondere:
Wenn schon eine gesetzliche Strafe nach damaliger, westlicher
Auffassung in Europa nicht mehr zeitgemäß war, dennoch in den
Kolonien angewandt wurde: wie musste der reale Alltag sein, welcher
nicht mehr vom Staat erfasst werden konnte?
In sämtlichen Kolonien
gab es zwei verschiedene Rechtssysteme: das der Kolonisten und das
der Kolonisierten. Im Falle der Kolonisierten gab es keine
Trennung von Verwaltung und Justiz, d. h., der entsprechende
Verwaltungsbeamte war in diesen Fällen gleichzeitig auch Richter (Kaulich, 126, Osterhammel, 64). Der deutsche Beamte war der
Bezirksamtsmann (Kaulich, 129. Der Bezirksamtsmann war Richter,
Beamter und militärischer Chef in einer Person); sein englischer
Pendant war der Native Commissioner.
Dabei konnte man zwei
verschiedene Phänomene beobachten: sowohl in den deutschen als auch
in den britischen Kolonien gab es zunächst noch Beschränkungen, die
Kolonisierten waren zum Teil noch stark geschützt. Dies
änderte sich bis zur Jahrhundertwende: Zum einen Benötigte man
Arbeitskräfte, zum anderen glaubte man, dass die Kolonisierten wegen
der Aufstände stärker diszipliniert werden müssten.
Als erstes möchte ich die
Gesetzesänderungen untersuchen welche durch die Aufstände
verursacht wurden. Als Beispiel dient die Siedlerkolonie
Deutschsüdwestafrika. Vor den Unruhen von 1896 hatte der
Bezirksamtsmann noch zahlreiche Beschränkungen: Bei Verhängung
und Vollzug der zulässigen Strafen musste der Häuptling anwesend
sein, und bestimmte Personen, wie Frauen […] waren generell von der
körperlichen Züchtigung ausgeschlossen (Kaulich, 131, 132).
Dementsprechend waren auch die Strafen relativ mild, es gab nur
wenige Prügel- und Todesstrafen, die Gefängnisstrafen waren gering.
Anders war es ab 1896, nach dem Aufstand: nun gab es keine
Beschränkungen mehr, die Zahlen der Strafrechtsurteile stiegen
(Kaulich, 134. Die Strafrechtsurteile stiegen von 765 in 1906/1907
auf 3194 in 1912/1913, ebenso die Prügelstrafe (von 336 auf 1713)
und die Todesstrafe (1912 gab es 14 und 1913 10 Todesurteile).
Zweitenes möchte ich auf
die die wirtschaftlich orientierten Gesetze eingehen, welche um
1900 die Situation erneut veränderten. Die Ursachen dafür wurden
oben kurz angesprochen: die Kolonisten benötigten Arbeitskräfte,
sei es für ihre Farmen und Plantagen, sei es für die Minen. Die
Subsistenzwirtschaft der Kolonisierten funktionierte so gut, dass
keinerlei Bereitschaft bestand, für einen Hungerlohn unter der
Herrschaft der Peitsche auf den Plantagen der Weißen zu arbeiten
(Baer, 85). So griffen die [Kolonisten] im Einvernehmen mit der
Kolonialverwaltung zu einem breitgefächerten System von direkten und
indirekten Zwangsmaßnahmen (Franke, 213). Und diese bestand
darin, dass man die Hüttensteuer erhob: 1894 in Southern Rhodesia
(Döpcke, 15), 1898 in Deutsch Ostafrika (Franke, 214), 1905 in
Deutsch Südwestafrika (Kuss, 213). Nun war es so, dass zum Beispiel
ein besteuerter Kolonisierter in Deutsch Ostafrika rund 3 Rupien
jährlich bezahlen musste, also einen Monatslohn (Franke, 214). Diese
Steuerlast wurde dadurch schwerwiegender, dass viele Kolonisten ihre
Arbeiter betrogen.
Dass die Kolonisierten
sich nicht widerstandslos diesen Steuern fügten, zeigte sich darin,
dass man extra die lokalen Militär- und Polizeitruppen damit
beauftragen musste (Baer, 95. Bericht des Angestellten Lieblinger der
Disconto – Gesellschaft, 1905: Wer seine Steuer nicht bezahlen
kann, muss für die Station fern von den Seinigen arbeiten und ist
der Willkür der Askaris preisgegeben, die mit der Nilpferd-Peitsche
hinterher sind. Diese sog. Tributarbeit […] hasst der
[Kolonisierte] bis aufs tiefste, er muss sich derselben jedoch fügen,
sonst wird ihm sein Vieh fortgenommen und seine Hütte mit allem, was
darin ist, verbrannt.)
Denn zwischen 1898 und
1901 gab es allein in Deutsch Ostafrika bis zu 25 größere
Widerstandsaktionen gegen die Steuereintreibungen (Bernhard, 160).
Auch so wurde „der Steuerzwang […] von den lokalen Vertretern des
kolonialen Staates (wie den Native Commissioners in Southern
Rhodesia) systematisch und mit Gewalt durchgesetzt“ (Döpcke, 16).
So war nicht nur die
Steuereintreibung, sondern auch die Sicherung der Arbeitsverträge,
welche zwischen den Kolonisten und den Kolonisierten geschlossen
wurden, Aufgabe der Polizei und Militärs. Ein Paradebeispiel war das
Master and Servants Act von 1906. Es war schon 1875 in England
als zu veraltet aufgehoben worden, aber auf Initiative der
Siedler von british Wast Africa ab 1906 erneut, aber nur in British
East Africa, eingeführt (Anderson, 461. It was
an important characteristic of this body of law that while the
employer could be subjected to civil action for any breach, the
Worker was liable to penal sanctions.). Wurden Verträge
gebrochen oder gab es Streiks, so wurden die, wie ein
deutsch-ostafrikanischer Arbeitskommissar 1909 sagte,
vertragsbrüchigen Arbeiter […] durch Vermittlung […] dem
Arbeitgeber wieder zugeführt (Franke, 236).
Denn dies musste man
betonen: offiziell gab es keine Sklaverei mehr. Deswegen mussten die
Kolonisierten mündliche oder schriftliche Verträge mit den
arbeitgebenden Kolonisten eingehen, um sich das Steuergeld verdienen
zu können (Anderson, 470. Außerdem „It was
common […] for part of labour wages to be withheld each mouth in
order to ensure that he re contracted“, eine Zwickmühle
entstand). Letztendlich mussten die Kolonisierten sogenannte
Lohnbücher bei sich führen, um dies zu verzeichnen. In manchen
Teilen der Kolonien mussten sie sogar für eine bestimmte Zeitlang
Frondienst leisten, sprich: für den Staat einige Tage lang
unentgeltlich arbeiten (Franke, 215. Noch dazu bekam die Chaga aus
Deutsch Ostafrika seit 1911 jährlich drei sogenannte
Arbeitskarten [welche sie] zu je 30 Arbeitstage abzuarbeiten
hatten.)
Trotz staatlicher Hilfe, die Arbeiter zu kontrollieren, there was
a constant demand if not an expectation that employers should have
the right to punish workers physically (Killingray, The Rod
of Empire, 204), denn in den zivilisierteren englischen
Kolonien war dies offiziell Untersagt. Diese Selbstjustiz war
in den beiden deutschen Kolonien hingegen explizit von den
Obergerichten von Daressalam und Windhuk genehmigt worden, indem man
sich an das Väterliche Züchtigungsrecht des Bürgerlichen
Gesetzbuches vom Reich orientierte. Sollten sie dennoch das Maß
überschreiten, so wurden die Kolonisten nur milde verurteilt (Baer,
118).
Nilpferdpeitsche |
Allerdings war der Begriff
der Straftat sehr dehnbar: In den deutschen Kolonien konnte man
schon wegen Trägheit, Widersetzlichkeit, fortgesetzter
Pflichtverletzung und unbegründetes Verlassen der Dienststelle (Baer, 84) bestraft werden, auch auf kleine Vergehen wie Mundraub,
Landstreicherei und Lügen standen hohe Prügel und
Kettenstrafen (Kaulich, 134). In British West Africa waren kleinere
Straftaten failure to work, […] and using
insulting language to the master or his agent [welches mit] one
months wages or a similar term of imprisionment“ (Anderson, 462)
bestraft wurden. Mit der Nothern Rhodesia Ordinance von 1914
konnte man sogar für Hexerei bestraft werden
(Browne, 481. Any person as a Wizard […] may be sentenced to 3
years imprisonment, and 20 lashes.)
Die körperliche
Züchtigung wurde des öfteren von den Kolonialbeamten bevorzugt
(Anderson, 470), da die Kolonisierten ohnehin selten das benötigte
Geld für die Strafen hatten und ihre Arbeitskraft gebraucht wurde
(Anderson, 473. Many magistrates defended
judicial flogging as the only alternative.) Wenn die
Verurteilten vor die Wahl gestellt wurden, in
only two of 40 cases had the African elected to go to jail (Anderson, 473). Aber nicht weil die Züchtigung von diesen nicht
als besonders hart empfunden (Baer, 83) wurde, sondern um für die
Steuerbeschaffung arbeiten zu können (Killungray, The Rod of Empire,
202).
Mit dieser kurzen
Beschreibung der gesetzlichen Lage der Kolonisierten dürfte ihre
Situation zu verstehen sein. Allein die Tatsache, dass die Strafen,
welche schon damals in Europa als unpassend erschienen, kodifiziert
wurden, verdeutlichte, dass die nicht erfassbare, alltägliche Gewalt
größere Ausmaße angenommen haben dürfte als vermutet. Deutlich
erkennbar wurde dies vor allem in den sehr zahlreichen (ab 1910)
aktenkundig geworden Fällen von Misshandlungen und Selbstjustiz
seitens der weißen Siedler, die nicht selten in brutale Exzesse mit
Todesfolge ausarteten und die nur eine äußerst milde
Strafverfolgung und Ahndung zur Folge hatten (Kaulich, 276).
Dies merkten schon die
Zeitgenossen in den Kolonien. Sogar der Gouverneur von British East
Africa. Sadler himself went on to admit that
district officers were inclined to use the ordinance to punish the
native on behalf of the master (Anderson, 462), also den
Kolonisten. Die Gesetze wurden willentlich überschritten, so sagte
ein Kolonialbeamter, dass „es fast unvermeidlich [wäre], dass von
den Hieben der Flusspferd-Peitsche Löcher in die Haut gerissen
werden“ (Baer, 83) so dass die Verurteilten sogar daran sterben
können.
Ludwig Cramer zog 1907 mit
seiner Familie nach Deutsch Südwestafrika, er hatte also den Krieg
nicht miterlebt und der weiße Bevölkerungsteil war schon relativ
dicht. Durch die dortigen im August ausgestellten
Kolonistenverordnungen durfte kein Kolonisierter mehr Land erwerben
oder Vieh halten, er musste also für Lohn arbeiten. Den Cramers
wurden vom Distriktsamt im August 1907 drei Männer, fünf Frauen und
sechs Kinder zugewiesen.
(4.3) Der Fall von Ludwig Cramer
(Mamozai)
Rücken eines der Sklaven Carmers. |
Nach einiger Zeit fühlten
sich die Cramers bedroht, glaubten dass ihre Arbeiter sie
vergiften wollen, des weiteren gab es einige Viehdiebstähle.
Ludwig Cramer wollte dies
aufklären indem er die Frauen mit Peitschenhieben überzog.
Und dies so grausam, dass es im September 1912 zum Prozess kam. Eine
der Frauen hatte eine Fehlgeburt gehabt, eine weitere wandte sich vor
Schmerzen, eine dritte hatte große Wunden davongetragen und eine
vierte war verstorben (wobei der Arzt betonte dass dies nicht
unbedingt auf die Peitschenhiebe zurückgehen müsse). Bis zum April
1913 dauerte der Prozess, inzwischen war eine weitere Frau (welche
sich vor Schmerzen gewandt hatte) verstorben. Der Richter, obwohl von
der Schuld Ludwig Cramers überzeugt, verurteilte ihn zu nur 4
Monaten Gefängnis und 2700 Mark Strafe, statt der vorgegebenen 21
Monate.
(5) Schlusswort
Wie man erkennen konnte,
war das Phänomen der alltäglichen Gewalt schwer zu fassen. Der
Kolonisierte war in allen vier Kolonien verschiedenen Gewalten
ausgesetzt, gegen die er sich nur schwer zur Wehr setzen konnte. Die
Kolonisierten befanden sich in der Zwangslage und wurden nicht selten
wegen Nichtigkeiten ausgepeitscht (Anderson, 471. A
farmer had brutally flogged a squatter for refusing to work, and then
when he ran away, caught him and sued him for breach of a verbal
contract.)
Des weiteren habe ich eine
starke Diskrepanz dieses Themas bei der Fachliteratur bemerkt: auf
der einen Seite gibt es geradezu philosophische Auseinandersetzungen
mit dem Thema Gewalt im kolonialen Afrika, auf der anderen Seiten
standen nur kurze konkrete Absätze in den wissenschaftlichen
Untersuchungen der Kolonialgesetze zur Verfügung. Auf dieses
Ungleichgewicht möchte ich hinweisen.
Zuletzt, ein Gang durch
das koloniale Daressalam, geschrieben vom Kolonialminister Dernburg,
der 1907 diese Stadt besuchte. Dort ging nahezu jeder Weiße mit
einer Peitsche spazieren […], auf dem Tisch der Hauptkasse habe ich
eine solche gefunden, im Stationsbüro oder der Usambarabahn lag sie
direkt neben dem Tintenfass, und so erlaubt sich fast jeder Weiße
auf jedem beliebigen Schwarzen herumzuschlagen (Baer, 84).
So war der koloniale
Alltag few settlers hesitate to flog their
servants for petty offences (Anderson, 474).
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