Eine künstlerische Interpretation der Istar. |
Die Mythologie lässt selten klare und unwiderrufliche Aussagen zu. So kann man zwar augenscheinlich die mediterranen Gottheiten wie den griechischen Neptun mit den römischen Pluto gleichsetzen; ebenso wie Zeus mit Jupiter. Sobald es hingegen um Legenden, Beziehungen, chronologische Ordnungen geht, kommt Chaos auf und es wird schier unmöglich die verschiedenen Mythen zu verweben. Sehr oft hingegen kommt es vor dass sich die Mythen gegenseitig Beeinflussen; Elemente übernehmen.
Aus den Grunde ist es interessant ein mesopotamisches Beispiel näher zu betrachten: die sogenannte “Höllenfahrt” oder “Gang in die Unterwelt” von zwei, sich stark ähnelnden weiblichen Gottheiten. Die ältere Gottheit ist Inanna von der Sumerischen Kultur, bei der Jüngeren handelt es sich um Istar, einer babylonischen Göttin.
Die Legende der babylonischen Ištar gleicht sehr den der sumerischen Inanna. Heutzutage ist es fast unmöglich ihre exakten Funktionen zu bennenen; wahrscheinlich war Inanna sowohl eine Göttin der Liebe als auch eine kriegerische Gottheit. Was hier interessiert ist hingegen eines der wenigen mythischen Legenden in denen sie die Hauptrolle spielt: die "Höllenfahrt" oder ihr "Gang in die Unterwelt". Ähnlich beim Ebenbild, der babylonischen Göttin der Liebe und des Krieges, Istar.
In Tonvase eingeritzte Figur welche Innana darstellen könnte. |
Der (älteren) sumerischen Legende nach befand sich Innana in der Unterwelt, aber sie konnte nur von ihr raus, wenn sie jemand anderes fand der an ihrer Stelle dort blieb. Gemeinsam mit einigen Dämonen, welche sie bewachten, kehrte sie zur Oberwelt zurück, brachte es aber nicht übers Herz, jemanden durch sie zu ersetzen. Dies änderte sich als sie zu ihren Palast zurückkehrte – und dort ihren Mann vorfand, der ihre fehlende Anwesenheit nicht betrauerte. Zornig befahl sie den Dämonen dass ihr Mann sie ersetzen solle, Tammuz genannt.
Das könnte erklären warum Ištar in der babylonischen Höllenfahrt eines Tages beschloss - eine Art "Fortsetzung Folgt" - zur Unterwelt der Babylonischen Mythologie zu reisen. Die Gründe hierfür sind unbekannt, einige vermuten, sie wolle das Reich der Unterwelt sich zu eigen machen. Oder um ihren Mann zu befreien.
Als sie zur ersten Pforte der Unterwelt gelangte forderte sie Einlass. Da der Pförtner ihr dies verwehrte, drohte sie damit dass sie das Tor sprengen und die Toten zu den Lebenden bringen wolle. Daraufhin bekam der Pförtner von seiner Herrin, Ereshkigal, der Göttin der Unterwelt, die Anweisung, die Pforten zu öffnen.
Relief welches Istar darstellen könnte. |
An jedem Tor – es waren ihrer sieben – musste sie einen Teil ihrer prachtvollen Gewänder abgeben. Auf die Frage warum sie das machen solle erwiderte der Pförtner, dass es das Gesetz so verlange. So gab sie am ersten Tor ihre Krone, am zweiten ihr Ohrgehänge, am dritten ihre Halskette, am vierten ihre Brustschilder, am fünften ihren Gürtel, am sechsten ihre Spangen von den Händen und Füssen und schließlich am siebten ihr Lendentuch ab.
Ihrer Macht beraubt stand sie nun nackt im Palast der Göttin der Unterwelt und diese Befahl ihren Diener Namtar, Ištar einzusperren und mit sechzig Krankheiten zu quälen. (Interessant: anscheinend hatte diese Legende später Einfluss auf den Tanz der Sieben Schleier Salomons)
Während Ištar in der Unterwelt gefangen war hörte auf der Erde die Zeugung auf; der Stier ignorierte die Kuh; die Liebe zwischen den Geschlechtern ward erloschen. Die obersten Götter Sin, Schamasch und Ea (Enki) waren besorgt.
Ea erschuf daraufhin das Wesen Asu-shu-namir und sandte in in die Unterwelt, um Ereshkigal zu überreden, Ištar frei zu geben. Sie musste sich den Forderungen der obersten Göttern beugen und gab Ištar frei, welche nun an die Erdoberfläche mitsamt ihren Besitz zurückkehrte.
So konnte man die Aussage machen, dass „Alles, was die Todesgöttin einmal gefasst hat, hält sie für immer gefangen, nur nicht die Ischtar, alles Lebende stirbt, nicht aber stirbt das Leben“. Babylon hat Istar stark verehrt, was unter anderem mit den Istar - Tor stark zum Ausdruck gebracht wird, verziehrt von Istars Symboltier, dem Löwen.
Istar - Tor von der Berliner Museumsinsel. |
Quellen:
- Jeremias, Alfred, Die Höllenfahrt der Istar. Eine altbabylon. Beschwörungslegende, München, 1886.
- Deussen, Paul, Allgemeine Geschichte der Philosophie – mit besonderer Berücksichtigung der Religion, Leipzig, 1921, Band 2.
- Wolkstein and Kramer, Innana: Queen of Heaven and Earth, New York, 1983, S. 52 – 89.
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